Prof. Dr. E.h. Hardt-Waltherr Hämer
Architekt HBK BDA
10627 Berlin.
Die Schifferkirche in Ahrenshoop auf dem Darß, entwarf und realisierte er 1949 bis 1951.
50 Jahre, ein Anlass, mit guter Absicht zu erinnern.
Der Anlass zu diesem Heft: Die Kirche in Ahrenshoop wurde am 14.Oktober 1951,
also vor 50 Jahren eingeweiht.
Die Absicht bei dieser Gelegenheit: Aus den Verhältnissen jener Zeit an
Einflüsse zu erinnern, die diesen Kirchenbau deutlich mitgeprägt haben.
Das Bauen fünf Jahre nach 1945 war geistig, politisch und materiell, ein
eigenartiger Prozess, der sich heute abenteuerlich liest und einiges erklärt, -
warum es heute Sorgen gibt um den Bestand des Hauses. Auch wenn das Dach vor
einigen Jahren erneuert werden konnte, vor dem technischen und formalen Verfall
müsste die Kirche in Ahrenshoop nun dringend und grundlegend bewahrt werden.
Die Ausstellung und diese Broschüre möchten dazu eine Hilfe sein:
Nach einigen Bildern von der Einweihung (1951), wird deshalb der
Entstehungsprozess in Kurzform geschildert
(wer mehr wissen möchte, mag bei der
Kirchengemeinde, der mein Archiv zur Verfügung steht, oder auch direkt bei mir
nachfragen).
Nach einer ersten Liste erforderlicher Maßnahmen, werden Beispiele des sichtbar
gewordenen Verfalls vorgestellt, soweit das vergleichende Bilder deutlich machen
können.
Die vorläufige Liste soll mit diesem Bericht "untermauert" werden.
Auch eine Unterstützung für den Denkmalschutz. Denn Ahrenshoop wurde 1950,
während des Baues der Kirche unter Denkmalschutz gestellt. - Wobei der Bau der
Kirche zunächst fast verhindert worden wäre. Beides, der Versuch des
Verhinderns der Kirche und der Denkmalschutz für Ahrenshoop ist dem
"Kulturbund zur Demokratischen Erneuerung Deutschlands" zu danken, der
damals dafür sorgte, daß der einzigartige, ganz besondere Ort als Ganzes, bis
heute, unter Denkmalschutz gestellt ist - seit 1950 mit seiner Kirche.
Ernste Verregelungen entstanden in dieser Zeit - Kirche bauen
hieß: TROTZDEM
Das Bauwesen war strengstens staatlich bewirtschaftet, Baumaterial und
Baufacharbeit dem Kirchenbau grundsätzlich eigentlich verwehrt.
Die Baugenehmigung, schon am Tag der Planvorlage erteilt, ein Wunder! Aber das
wärte kurz. Höhere Mächte fanden laufend neue Regeln für Baustopp,
Beschlagnahme oder Verbote:
"Innerdeutsche" Transporte wurden "verkompliziert", gerade
als wir sie von West-Berlin nach Ahrensoop z.B. für die Eisenspende vom
Evangelischen Hilfswerk brauchten, fast auf den Tag genau.
Material musste also gespendet, Arbeitund Transporte immer wieder neu und wieder
anders "organisiert" werden.
Nach dem Bauen im "Tausendjähriogen Reich" wurde in Berlin an der
Hochschule für Bildende Künste und in Weimar an der Hochschule für
Architektur und Bauewesen , heftig um Bauformen gerungen; aber nicht nur dort
und nicht nur an den Hochschulen.
Die Stalinallee beispielsweise wandelte gerade bei Hermann Henselmann noch auf
dem Reißbrett ihr Gesicht von Hans Scharouns Laubenganghäusern zur
preußischen Variante des Sozialistischen Realismus. (Henselmann wird hier
erwähnt, weil ohne ihn diese Kirche wohl kaum gebaut worden wäre.)
In Ahrenshoop entstand damals eine "Selbsthilfekirche", wie -
das versuchen Auszüge aus Aufzeichnungen von 1950/51 zu zeigen:
Von der Idee der Kirchengemeinde zum Entwurf:
Weihnachten 1949, die die Werkarchitektenprüfung gerade hinter mir, machte ich
Urlaub bei der Familie in Prerow. Dort war zu hören, dass in Ahrensoop eine
Kirche gebaut werden sollte. Am 2. Januar 1950 besuchte ich also Pastor Pless
mit der Frage, ob es schon einen Architekten gäbe: Die Kirchengemeinde hätte
nichts, außer einem Grundstück in Ahrenshoop. Das sollte ich mal ansehen,
Zimmermeister Papaenhagen, auf dessen Sommerveranda in Ahrenshoop jetzt
Gottesdienst gehalten würde, wüsste über alles Bescheid. Am nächsten Morgen
mit dem Fahrrad durch den Darß, um auf dem Grundstück der Kirchengemeinde die
möglichen Eckpunkte mit Meister Papenhagen abzustecken. Aber Frau Papenhagen
war dagegen: zwischen den Jahren würde die Erde nicht gegraben, sonst gäb´s
im neuen Jahr ein Grab. Deshalb kam es nur zu einer Skizze der Wege und Bäume,
mit der ich dann zum Pastor zurück fuhr. Pastor Pless meinte, Prof. Noth (einer
meiner Lehrmeister an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin, der auch
in Prerow zuhause war) hätte sich auch schon interessiert gezeigt, wenn der
nichts dagegen hätte, solle ich mal einen Vorschlag machen. Das war vage, aber
so fing es an und blieb bisher auch so. Davon sei hier stark verkürzt
berichtet.
AUSZUG AUS DEM BAUTAGEBUCH
KIRCHE AHRENSHOOP 1950 - 1951
13.09.49 Pastor Lic. Pless, Prerow, gibt den Vorentwurf in
Auftrag
26.02.50 VORENTWURF
Zustimmung des Kirchenrats in Prerow
28.02.50 Vorbesprechung bei Bauaufsicht in Rostock
02.08.50 ENTWURF
Zustimmung Gemeindekirchenrat durch Abstimmung
10.08.50 Gemeindekirchenrat beauftragt Architekt beim
Oberkirchenrat und
Evangelischen Hilfswerk Berlin, Mittel für den Bau zu beschaffen.
11.08.50 STATISCHE BERECHNUNG
und Entwurf mit Bauaufsicht vorbesprochen (Herr Bülow)
24.08.50 Vom Kirchenältesten wird mitgeteilt, dass aus
Greifswald Fragen an
die Kirchengemeinde gestellt wurden, wonach der Entwurf in die Landschaft passt.
Derartige Lösung wäre nur bei Berücksichtigung
des Kurortes Ahrensoop vertretbar. Ahrensoop sei aber nur drei Monate
im Jahr Kurort, und das könnte nicht maßgeblich für die Gestaltung sein.
Eingang der geprüften Statikberechnung aus Rostock (Prüfingenieur Bien).
01.09.50 BAUGENEHMIGUNG
Vollständige Bauvorlagen bei Bauaufsichtsbehörde in Rostock (Herr Ladewig
und Herr Bülow) vorgelegt und sofort genehmigt.
09.09.50 Bauaufsicht fordert Fertigstellung des Rohbaus im
laufenden Jahr.
13.09.50 LIEFERUNG UND TRANSPORT EISENTEILE
Verhandlungen mit Hilfswerk in Berlin, Vereinbarung zur Zuladung im
Bäderomnibus am S-Bahnhof Wedding - West-Sektor - am 14.09., da
West-LKW nicht in den Ost-Sektor fahren dürfen.
14.09.50 Einladen des Eisens, in Bäderomnibus unter die Sitze
der Kurgäste geschoben,
wie verabredet.
BESCHLAGNAHME
am Kontrollpunkt Hohenneuendorf (angeblich unvollständige
Warenbegleitscheine). Ausgeladen auf eine Wiese beim Kontrollpunkt.
Rücksprache mit Hilfswerk um Aushändigung der Warenbegleitscheine
-des Westmagistrats-.
15.09.50 Warenbegleitscheine nochmals vom Westmagistrat
genehmigt und
unterzeichnet,, Vorlage in Hohenneuendorf, dort wird zusätzlich Freigabe
durch Ministerium für innerdeutschen Handel gefordert. Freigabe beim
Ministerium erwirkt.
16.09.50 EISENFREIGABE von der Wiese am Grenzpunkt
Hohenneuendorf erreicht
(durch Nieselregen erster Rostansatz war das überzeugenste Argument).
Von Hohenneuendorf Transport zum Kontrollpunkt Schildow. In der Nacht
zum 17.09. Zuladung des Baueisens in Frischkühlwagen aus Sassnitz.
17.09.50 Ausladen in Ribnitz
Schlosserei Blendin mit der Verarbeitung des Eisens beauftragt.
Weitertransport mit Motorboot Spatz nach Born vorgesehen am 23.09.
19.09.50 KRIMINALPOLIZEI aus Ribnitz erscheint mit vier
Mann in Prerow:
Lastzug habe wegen eines Baueisens Umweg über Ribnitz genommen. Und die
Ausfuhrgenehmigung hätte nicht ausgefertigt werden dürfen. Habe Herausgabe
der Begleitpapiere verweigert, weil ich meinte, dass ein Ministerium, das
unterschreibt, seine Kompetenzen kennt.
21.09.50 BAUPLATZTAUSCH (schon der Zweite!) von
Kurdirektor des
Kulturbundes neuer Bauplatz energisch beanstandet. Es wird ein weiterer
Bauplatztausch gefordert.
22.09.50 STOP DER BAUFREIGABE durch Bauamt Rostock, weil
Bauholz durch
Spenden aus der Gemeinde gedeckt werden sollte, Ahrenshoop aber
keinen Holzbestand hat.
23.09.50 Klärung mit Bürgermeister Ahrenshoop;
Holzbeschaffung durch
Kirchengemeinde, bestehend aus Prerow, Wieck, Born und Ahrenshoop.
Bürgermeister informiert Bauamt Rostock: Baufreigabe damit wieder möglich
Bauplatztausch, Besichtigung:
ein BAUM gefährdet Bauplatz, da außerhalb der Reichweite der
Hochspannungsleitungen gebaut werden muß.
24.09.50 Ahrenshoop, Zusammenkunft zur Beschlussfassung über
den neuen Bauplatz.
... Schreiben des Kulturbundes in Berlin kündigt Einmischung des
Volksbildungsministeriums an.
Nach Ansicht des Herrn Lüning ist diese Forderung jetzt, nach dem zweiten
Bauplatztausch, erledigt, empfiehlt dem Kulturbund, Modellfotos zu überlassen.
26.09.50 BEGINN AUFRISSARBEITEN für Abbund in Born mit
Zimmermeister
Papenhagen und Borchmann:
Fällen einer Pappel auf dem neuen Bauplatz.
06.10.50 Mennige und Firnis aus West-Berlin eingetroffen. BEGINN
DER
FUNDAMENTE Betonbrocken und Flugasche.
23.10.50 Eingang Schreiben des Kulturbundes Berlin, wonach
Ahrenshoop unter
DENKMALSCHUTZ gestellt wurde und daher seit kurzem Genehmigung
Landeskonservators in Schwerin (Herr Mansfeld) erforderlich.
05.11.50 Antwort Landeskonservator von Mecklenburg (auf meine
Anfrage) Unterlagen
seien an das Ministerium für Industrie und Aufbau in Schwerin, Hauptabteilung
Aufbau, weitergegeben.
09.11.50 BAUSTOPP durch Anruf der Bauaufsichtsbehörde bei
Bürgermeister in
Ahrenshoop, Begründung folge schriftlich.
12.11.50 Eingang Schreiben des Ministeriums für Industrie und
Aufbau , H.A. Aufbau in
Schwerin: Baulizenz und Baugenehmigung seien angeblich nicht nachgesucht.
... Stillegung verfügt, Stellungnahme des Architekten angefordert.
13.11.50 Rücksprache mit Bauaufsichtsbehörde in Rostock:
Herr Ladewig kennt die
Gründe der verfügten Stillegung nicht, der Bau sei jetzt für das Baujahr 1951
eingeplant, da im laufenden Jahr keine Baulizenzen mehr ausgegeben werden.
14.11.50 Rücksprache mit Ministerium Schwerin ohne
Ergebnis. ... Rücksprache mit
Landeskonservator Mansfeld: Stillegung sei auf Beanstandung des Bauplatzes
durch Leitung des Kulturbundes in Berlin zurückzuführen, die Verträumtheit
des Ortes werde durch die Errichtung der Kapelle gestört!
15.11.50 AN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN, Institut
für Bauwesen,
Abteilung Siedlungswesen in Berlin geschrieben und gleich mit Plänen und
Modellfotos hingegangen. Wollte zu Direktor Scharoun. Auf dem Wege dahin,
im großen Dachboden, kommt Hermann Henselmann auf mich zu und fragt
mich aus, guckt auf die Fotos und winkt mich in sein Büro ( an den
Wänden
hängen und auf den Tischen liegen die Pläne zur Stalinallee in neuer Fassung).
Anruf bei Johannes R. Becher, dem Vorsitzenden des Kulturbundes zur
demokratischen Erneuerung Deutschlands. Henselmann befürwortet den
Kirchenbau - das passt genau nach Ahrenshoop - und zu mir, ich soll die
Kirche bauen, aber dann gäbe es Wichtiges Berlin zu tun.
21.11.50 Schreiben Kulturbund Berlin (Tolzin) ... "Wir
wären Ihnen jedenfalls sehr
dankbar, wenn Sie uns zu gegebener Zeit davon verständigen würden, wenn
der Kapellenbau abgeschlossen ist".
21.11.50 Evangelisches Konsistorium (Tolzin) an
Gemeindekirchenrat Prerow.
... Hauptgrund für die Bausperre ein ganz anderer, es lägen weder Lizenz-
noch Baugenehmigungen vor. Wie weit das Kreisbauamt Rostock ein
Verschulden träfe, müsste noch festgestellt werden, Herr Ladewig sei nicht
mehr im Amt, da er vor einer Woche verhaftet sei.
6 MONATE BAUSTOPP
11.06.51 BAULIZENZ 51. ERTEILT
(Baugenehmigung lag mit Unterschrift vom
01.09.50 vor).
12.06.51 Aufgestellt wurden: 6 Binder, Seitenwandfachwerk,
Pfetten und Sparren.
RICHTFEST am gleichen Tag. ... Rohr angefahren ... ca. 30% unbrauchbar.
...
Bindedraht bei Dachdeckermeister Möller beschlagnahmt, Ersatz erforderlich,
wird aus Berlin beschafft.
13.06.51 Westgiebel und Längsverstrebung fertig.
Dann lief der Bau (fast normal): Dachdecken, Fußboden legen und
Innenausbau ... Superintendent drängt nun auf komplette Innenausstattung bis
zur Einweihung (aus Kostengründen war die aber zunächst für 1950 und dann
auch für 1951 zurückgestellt). Also wurde improvisiert: die Rückwand mit
"Standpapier" abgedeckt, davor ein schlichtes Holzkreuz. Als Kanzel
diente
ein Stehpult. Als Altar schien Vaters Schreibplatte (grüner Marmor) geeignet,
als Taufbecken eine Messingschüssel, die Mutter 1933 aus Tula mitgebracht
hatte (Ahrenshooper Täuflinge werden seither dort eingraviert. Die erste
Eintragung: Johann-Sebastian Hämer, 14.10.51).
14.10.51 EINWEIHUNG
Mit seinen drei Schiffsmodellen (alte Fischländer Brigg) Glaube, Liebe,
Hoffnungspendete Kapitän Heinrich Voß später (noch in den fünfziger Jahren)
den Semmannskirche. Die Orgel (Fa. Schutke, Potsdam) ersetzte 1961 das
Harmonium der Anfangszeit.
Wegen des 1950 angeordneten zweiten Grundstücktausches musste dem Bau
der Kirche eine Pappel weichen. Aus ihrem Holz hat
Doris Oberländer-Seeberg später die Innenausstattung geschnitzt:
Den Leitspruch von Pastor Pless aus dem Johannes Evangeluim (14,6) auf die
Altarwand, drei tragende Kinder unter die Messingschüssel und die Kanzel mit
den Symbolen der vier Evangelisten.
Zum Instandsetzungsbedarf der Kirche Ahrenshoop, Oktober 2001
Gemäss Rundgang am 5. Dezember1997, Protokoll Andreas Wegschneider:
Dachraum unter neugedecktem Dach wieder schließen.
Holzschutz der neuen Windbretter (farbloses Holzschutzmittel).
Holzschutzsituation der Außenwände mit Architekten besprechen!
Elektroanlage von Fachfirma überprüfen (Brandgefahr!).
Lagerhölzer der S Fassade (gemeint wohl SW) stark verrottet.
Fensterbänke NO Fenster erneuerungsbedürftig.
Ziegelsteinfußboden an einigen Stellen eingesunken, u.a. unter den Stützen der Empore.
Als weitere Probleme der Kirchennutzung werden benannt:
Klima im Innenraum:
Im Sommer oft sehr warm, Sonne blendet, für Lichtbildervorträge zu hell.
Im Winter schwer zu temperieren.
Angeregt werden: Verdunklungsmöglichkeiten ggf. von der Empore nach unten und
nach oben. Dabei die horizontale, stark stark störende Brüstungsabspannung an
der Empore entfernen.
Zu überlegen, Fensterfront Isolierglas, ebenso die Fenster hinter der
Altarwand. Heizung, nach Erfahrung mit neuem System beim Kirchenamt fragen.
Holzwandfüllung überprüfen, ggf. nachfüllen.
Zuganker der Dreigelenkbogen-Binder unter Fußboden auf Rostschäden prüfen.
Anmerkung des Architekten:
Die Kirchenhalle wird von 6 Dreigelenkbogenbindern getragen, deren
Standfestigkeit wäre gefährdet, wenn die Zugeisen unter dem Fußboden rosten.
Deshalb sollten sie wirksam vor Nässe geschützt sein, mit Beton ummantelt
Zement war damals Mangelware und für einen Kirchenbau nur zu HO-Preisen zu
haben, also zu teuer. Ein - nicht einmal sichtbarer - Mangel, der uns heute,
wenn wir das Bauwerk sichern wollen, zu aufwändigen Untersuchungen und
Sicherungsmaßnahmen drängt.
Seit einigen Jahren versuche ich Zeit zu finden, die im Protokoll von Andreas Wegscheider z.T. angesprochenen Probleme, endlich ernsthaft zu bearbeiten. Bisher kam immer Dringendes dazwischen. Bei der Arbeit an dieser Dokumentation, wurde aber noch einmal deutlich, dass nicht länger zu warten ist.
Im Laufe der letzten 50 Jahre hat das Erscheinungsbild der
Kirche erheblich gelitten. Bisweilen durch gutgemeinte Eingriffe: z.B.
Holzschutz. Dieser überdeckt nun einheitlich dunkel alle HOLZTEILE ,
auch die hellgrau "geräucherte" Eichentür und die farblos
geschützten Fensterpfosten des Westgiebels. Oder das Festnageln der senkrechten
Fensterpfosten an die Grundschwelle mit mächtigen Nägeln. Das hat die SPROSSEN
gespalten und den notwendigen Abtropfabstand unten so dicht gemacht, dass nun
mit dem Hirnholz Wasser aufgesaugt wird, was die Holzstörung beschleunigt. Bei
der DACH-NEU-EINDECKUNG vor wenigen Jahren, wurden Form, Maßstab und
Proportionen des Daches zum Baukörper leider missverstanden: Seither gibt es
beim Dach am Westgiebel einen allseitig schief geratenen, bis dahin unbekannten
Schwung.
Auf die bestimmende Ausformung des TURMCHARAKTERS der FRIEDHOFSEITE
wurde von den kirchlichen Instanzen damals besonderer Wert gelegt, nachdem der
zunächst geplante Schornstein entfiel. Das später improvisierte Glockendach
nimmt dem zurückhaltend angedeuteten Turm zum Friedhof und zugleich der
Seitenansicht das ursprüngliche Sinn-Bild. Schon Doris Oberländer, unserer
hoch geschätzte Bildhauerin, beklagte diese zerstörende
"Bastelkonstruktion". Das weiße Querband der zugehängten äußeren EMPOREN-BRÜSTUNG
kehrt wesentliche Formen des Hauses um, besonders in Verbindung mit dem
geschwärzten Holz, verändert das den Charakter des, wegen seiner
Kleinmaßstäblichkeit besonders empfindlichen Kirchenbaues. Breite Aluminium QUERSPROSSEN
ersetzen die originalen Bleisprossen; - um nur einige Veränderungen
aufzuzählen.
Ahrenshoop wurde während des Kirchenbauens 1950 unter Denkmalschutz gestellt. Das hatte damals sogar mehrfaches Stillegen der Baustelle bewirkt. Die ursprüngliche Form steht seither immerhin mit dem ganzen Ort unter Schutz. Um anschaulich zu machen, worum es jetzt geht, enthält dieser Bericht im folgenden Teil einige gegenüberstellende Abbildungen und einen Vorschlag zu einem freigestellten Glockengestell.
Immer wieder wird mir berichtet, dass die Ahrenshooper und ihre Gäste die Kirche schätzen. Doris Oberländer schrieb mir vor Jahren, sie bäte mich um ein "Testament" zum Kirchenbau, es würde sonst zu viel in Unkenntnis daran herumgebastelt. Dazu bietet das Erinnern nach 50 Jahren vielleicht eine Gelegenheit: Bereit wäre ich., mich in nächster Zeit ernsthaft (im Rahmen eines vom Urheber des Bauwerks gespendeten Auftrages) mit dem Beheben der Schäden und dem Bewahren auf Dauer zu befassen. Dazu erbitte ich die grundsätzlichen Mandate der beiden Gemeinden, der kirchlichen und der weltlichen, wie des Denkmalschutzes.
Hardt-Walther Hämer
Oktober 2001
h.w.haemer@prerow.de